Gewinnen und Halten - Fachkräfte aus dem Ausland

Jasmin Zinssmeister
GP Germanyprofessionals

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Alle wollen nach Deutschland! Weil es hier sicherer ist, es bessere Verdienstmöglichkeiten gibt und die Lebensqualität oft höher ist. Zwei Jahre später: Alle wollen zurück in die Heimat. Was läuft schief?

Das ist natürlich überspitzt gesagt. Dennoch ist es mir wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein Arbeitsvertrag mit einem deutschen Unternehmen allein nicht reicht, um eine Fachkraft aus dem Ausland dauerhaft an sich zu binden. Leider höre ich allzu oft von Fällen, in denen sich ausländische Fachkräfte ausgegrenzt fühlen und deswegen irgendwann enttäuscht nach Hause zurückkehren oder zur Konkurrenz gehen. Entgegen vieler Meinungen ist es nämlich nicht so, dass jeder einfach sein Heimatland für den erstbesten Vertrag mit einem Unternehmen in Deutschland verlässt, weil Deutschland ja ein so viel besseres Leben bietet.

Wer qualifizierte Fachkräfte anwerben will, egal ob aus dem In- oder Ausland, muss etwas dafür tun.

Starten wir mit dem Hiring-Prozess:

In vielen sogenannten “Drittländern”, also außerhalb der EU, EWR oder Schweiz, ist das Motivationsschreiben mittlerweile ausgestorben oder hat nie existiert. Meine persönliche Meinung: Auch in Deutschland sollte es zu den Dinos gehören. Aber das ist eine andere Geschichte. Also: Je einfacher der Bewerbungsprozess, desto mehr ausländische Fachkräfte können Sie anziehen. Tipps auf einen Blick:

  • Ein Lebenslauf auf Englisch sollte für die Bewerbung ausreichen
  • Die Stellenbeschreibung auf Englisch und Deutsch zur Verfügung stellen
  • Falls es nicht zwingend nötig ist: auf fließende Deutschkenntnisse verzichten
  • Explizit erwähnen, dass ausländische Bewerber willkommen sind
  • Nicht reglementierte Berufe (zum Beispiel IT, BWL): Hochschulabschluss mit englischer Übersetzung
  • Reglementierte Berufe (zum Beispiel Ingenieure): Anerkennungszertifikat und Hochschulabschluss im Original

Sie haben eine passende Bewerbung erhalten? Im Vorstellungsgespräch können Sie so einiges tun, um es ausländischen Bewerbern einfacher zu machen:

  • Fragen Sie bei der Einladung, ob der Kandidat Deutsch oder Englisch sprechen möchte.
  • Falls das Interview auf Deutsch durchgeführt werden muss, sprechen Sie langsam und weisen Sie am Anfang darauf hin, dass gerne nachgefragt werden darf, sollte etwas unverständlich sein.
  • Bieten Sie bei der Unternehmensvorstellung im Vorstellungsgespräch eine klare, interessante Perspektive und zeigen Sie Empathie. Zum Beispiel: “Wir wissen, dass es nicht einfach ist, das eigene Heimatland zu verlassen und in eine völlig neue Arbeitsumgebung zu wechseln. Deswegen unterstützen wir unsere Mitarbeiter mit einem Integrationsprogramm und Sprachkursen.”

Wer ausländische Fachkräfte dauerhaft halten will, sollte vor der Einstellung bereits einen festen Plan parat haben. Leicht kann es aufgrund kultureller Verschiedenheiten zu Problemen oder einfach komischen Situationen kommen.

BEISPIEL:

Lateinamerikaner:innen fühlen sich beim Mittagessen in deutschen Unternehmen manchmal ausgegrenzt, weil das Ambiente sachlicher ist und wir Deutschen oft länger brauchen, um mit jemandem am Arbeitsplatz Privates zu teilen. Diese „kältere“ Atmosphäre führt in vielen Fällen auch dazu, dass Fachkräfte wieder in ihr Land zurückgehen oder das Unternehmen wechseln wollen.

Nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im normalen Alltag sind Latinos sehr herzliche Menschen. Am Arbeitsplatz hört man oft lautes Lachen, der Chef lädt beim Mittagessen auch mal zu einem Taco ein, man umarmt vielleicht einen Kollegen, den man noch nicht so lange kennt – weil er einfach sympathisch ist. Berufliche Fragen am Arbeitsplatz an die Kollegen werden fast nie direkt gestellt. Zunächst wird nach der Familie, den Kindern oder dem Wochenende gefragt und etwas geplaudert. Erst dann kommt die fachliche Frage. Also: Der Mexikaner im Büro nebenan will niemanden ausfragen, sondern einfach nur nett sein.

Interkulturelle Kompetenzen sind gefragt.

Eine Sensibilisierung für andere Kulturen sowohl auf Seiten der Mitarbeiter als auch der internationalen Fachkräfte kann Wunder wirken und für ein bereicherndes, langfristiges Arbeitsverhältnis sorgen. Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:

  • Integration und Willkommenskultur: Schaffen Sie ein freundliches und inklusives Arbeitsumfeld, in dem ausländische Fachkräfte willkommen sind. Unterstützen Sie sie bei der Eingewöhnung. Bieten Sie Sprachunterricht an und organisieren Sie kulturelle Aktivitäten, um die Integration zu fördern. Der wichtigste Grund für eine Kündigung ist meiner Erfahrung nach das Gefühl, nicht integriert oder sogar diskriminiert zu werden. Mitarbeiter müssen geschult und für andere Kulturen sensibilisiert werden.
  • Karrieremöglichkeiten: Zeigen Sie klare Karrierepfade und Entwicklungsmöglichkeiten auf, um das Engagement der Mitarbeiter zu stärken. Bieten Sie Schulungen und Weiterbildungsprogramme an, um ihre Fähigkeiten zu fördern.
  • Unterstützung bei der Visa- und Aufenthaltsregelung: Stellen Sie sicher, dass ausländische Fachkräfte Unterstützung bei Visaanträgen und Aufenthaltsregelungen erhalten, um bürokratische Hürden zu minimieren.
  • Mentoring und Unterstützung: Bieten Sie Mentoring-Programme an, in denen erfahrene Mitarbeiter ausländischen Fachkräften bei der beruflichen Entwicklung und Integration helfen.
  • Kommunikation: Schaffen Sie offene Kommunikationskanäle, um die Anliegen und Bedürfnisse ausländischer Mitarbeiter zu verstehen. Umgekehrt ist es auch wichtig, dass die ausländischen Fachkräfte über die deutschen Gepflogenheiten und Unternehmenskultur informiert werden.

Fachkräfte aus dem Ausland stellen nicht nur fachlich, sondern auch auf menschlicher Ebene eine große Bereicherung dar. Wer gutes interkulturelles Management betreibt und bereit ist, aus der eigenen Komfortzone auszubrechen, kann auf jeden Fall profitieren.

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