Homeoffice-Beipackzettel: Stress und Übergewicht als Nebenwirkung

Tim Rühle
fitundfröhlich GmbH

Homeoffice – zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Ihren Arzt oder besser gleich Ihren Ernährungsberater!

So oder so ähnlich müsste es auf dem Beipackzettel zur weitverbreiteten Praxis der Arbeit von zu Hause stehen. Denn bedenkt man, dass ein Viertel aller erwerbstätigen Deutschen aktuell zumindest gelegentlich von zu Hause aus arbeitet, rund 10 Prozent sogar vollständig, sind die folgenden Zeilen für alle im Personalwesen Arbeitenden alarmierend.

Trotz einer hohen Flexibilität, die das Homeoffice mit sich bringt, hat das Arbeiten von zu Hause scheinbar auch eine Reihe von Nachteilen. Laut einer Befragung der AOK fühlten sich 73,4 Prozent derjenigen, die häufig im Homeoffice arbeiten, in den vergangenen zwölf Monaten erschöpft. Bei denjenigen, die ausschließlich im Büro tätig sind, waren es 66 Prozent. Nach der Befragung klagten im Homeoffice auch mehr Beschäftigte über Wut und Verärgerung (69,8 Prozent gegenüber 58,6 Prozent), bei Nervosität und Reizbarkeit waren es 67,5 Prozent im Vergleich zu 52,7 Prozent.

Zusammenfassend haben diese Menschen also eines gemeinsam: ein enorm hohes Level an Stress. Extrem bedenklich wird diese Erkenntnis, wenn man gleichzeitig die Entwicklung des Körpergewichts der Deutschen seit der Corona-Pandemie 2020 betrachtet.

Rund ein Viertel der über 18-Jährigen (26%) haben seitdem an Körpergewicht zugenommen. Jüngere Personen geben häufiger eine Gewichtszunahme an als ältere und Personen mit einer Adipositas (starkes Übergewicht) berichten häufiger über eine Gewichtszunahme als normal gewichtige Menschen.

Richtig kritisch wird es, wenn ich aus meiner Sicht als Ernährungsberater beide Erkenntnisse zusammenbringe. Denn Stress und Übergewicht gehen meist nicht nur Hand in Hand, sondern sind gleichzeitig die größten Faktoren im Hinblick auf das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und auf die Wahrscheinlichkeit an Diabetes zu erkranken. Gleichzeitig legt dauerhafter Stress das natürliche Hungergefühl lahm und sorgt dafür, dass man regelmäßig über die physiologischen Bedürfnisse hinaus isst – ein gefährlicher Teufelskreis!

Die Lösungsansätze sind vielfältig und reichen über Meditation, Yoga, Sport bis hin zu Massagen. Oftmals übersehen wird dabei, dass bereits unsere Ernährung selbst extrem positive Auswirkungen auf unser Stresslevel haben kann.

Denn im Prozess des Einkaufens, der Essenszubereitung, der Nahrungsaufnahme und der Art und Weise wie wir essen, stecken bereits enorme Potenziale, die eigene Gesundheit zu schützen. Gleichzeitig ist es erfahrungsgemäß möglich, die Mahlzeiten lecker, schnell und praktikabel umzusetzen. Im Folgenden will ich hierzu einige Empfehlungen geben.

Die Ausgewogenheit der Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, gut verwertbarem und hochwertigem Protein und gesunden Fetten liefert wichtige Nährstoffe, die dazu beitragen können, den Körper zu stärken und Stress abzuwehren.

Vitamin C aus Obst und Gemüse, Omega-3-Fettsäuren aus Fisch, Algen und Nüssen sowie Magnesium aus Vollkornprodukten sind nur einige Beispiele für Nährstoffe, die sich positiv auf die Stressbewältigung auswirken können. Eine zusätzliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in diesem Bereich kann sinnvoll sein.

Vermeidung von stressverstärkenden Lebensmitteln: Manche Lebensmittel können den bereits existierenden (zellulären) Stress zusätzlich verstärken. Dazu gehören zuckerhaltige Snacks, koffeinhaltige Getränke, stark verarbeitete Lebensmittel und alkoholische Getränke. Obwohl diese Lebensmittel kurzfristig eine gewisse Erleichterung (ich finde den englischen Begriff “relief” hier sehr passend) verschaffen können, führen sie langfristig zu einem ungesunden Stressniveau, das sich nur schwer wieder einfangen lässt. Chronischer Stress kann langfristig krank machen.

Regelmäßige Mahlzeiten: Regelmäßige Mahlzeiten sind wichtig, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, das Hirn mit wichtigem Treibstoff zu versorgen und die Nebennieren als Produzenten von Cortisol zu entlasten. Schwankungen im Blutzuckerspiegel können zusätzlich zu Reizbarkeit und Stress führen. Obwohl wir normalerweise Befürworter einer Ernährungsform sind, die nicht mehr als drei Mahlzeiten täglich vorsieht, sprechen wir in individuellen Fällen von chronischem Stress auch anderslautende Empfehlungen aus.

Langsam essen und bewusst genießen: Achtsames Essen ist ein wichtiger Aspekt der Stressbewältigung. Wenn man langsam isst und bewusst auf den Geschmack, Geruch und die Textur der Nahrungsmittel achtet, kann man nicht nur das Essen besser verdauen, sondern auch das allgemeine Stressniveau reduzieren. Man sollte sich hierfür ausreichend Zeit für jede Mahlzeit nehmen und hastiges Essen vermeiden. Die Nahrungsaufnahme im Gehen oder Stehen oder während einer Autofahrt sollte ebenso absolute Ausnahme statt der Regel sein.

Hydriert bleiben: Dehydration kann zu Müdigkeit und Reizbarkeit führen, was den Stress erhöhen kann. Zudem sorgt besonders im Winter die Luft im Homeoffice dafür, dass die Haut schnell austrocknet und die Lippen spröde werden. Trockene Schleimhäute sind zudem Einfallstore für Viren und Bakterien. Hier hilft das Trinken von Wasser und ungesüßten Tees. Der Mensch benötigt Flüssigkeit, um den Körper und das Gehirn optimal zu unterstützen und die Zellreparatur-Prozesse der Dermis und Epidermis, also der oberen und unteren Hautschichten, einzuleiten und am Laufen zu halten.

Ernährung kann ein echter Gamechanger sein. Auch – oder ganz besonders – im Homeoffice. Das toxische Zusammenspiel zwischen Stress und Übergewicht kann durch die Etablierung gesunder Routinen, Ernährungs- und Verhaltensweisen durchbrochen werden. Doch es benötigt Mut, Wille und Durchhaltevermögen, sich selbst wieder zu priorisieren und lange praktizierte Muster zu durchbrechen. Informierte, kompetente und empathische Sparringspartner finden sich meist ganz in der Nähe.

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